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VW ID.3 im ersten Test: Mit bis zu 490 Kilometern Reichweite gegen Tesla - EFAHRER.com

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von Sepp Reitberger am 27.07.2020

Endlich konnten wir den ID.3 im Serientrimm testen

VolkswagenEndlich konnten wir den ID.3 im Serientrimm testen

Allen schlechten Nachrichten aus dem VW-Konzern zum Trotz: Der ID.3 kommt. EFAHRER konnte das Auto auf einer langen Probefahrt testen und dabei einen ersten Eindruck von Verbrauch, Reichweite und Ladezeiten gewinnen. So fährt sich der ID.3.

VW war in den letzten Wochen wegen des Stühlerückens im Vorstand und wegen verschiedener Probleme im Bereich Software-Entwicklung in den Medien. Letztere bremsen nicht nur die Auslieferung des überfälligen ID.3 aus, sie haben sogar schon zu einem Rückruf des Topsellers Golf 8 geführt, weil die integrierte Notruf-Funktion davon betroffen war.

Ungeachtet dieser kontroversen Themen rückt der Auslieferungstermin der ersten ID.3 für Kunden aber immer näher, seit dem 20. April ist der Konfigurator für alle Kaufinteressenten geöffnet und bietet neun verschiedene Modelle zu Preisen ab rund 35.600 Euro an. Vor Förderung und Umweltboni wohlgemerkt – Tesla zum Beispiel nennt auf seiner Website grundsätzlich Preise, bei denen der Herstelleranteil des Umweltbonus schon abgezogen ist. Mit über 9.000 Euro Förderung steigt der ID.3 also bei einem Endkundenpreis von rund 26.000 Euro ein. Wie sich zeigen wird: ein starkes Angebot.

Die ID.3 warten am Flughafen auf die Testfahrer

EFAHRER / ReitbergerDie ID.3 warten am Flughafen auf die Testfahrer

Testauto als "Pro Performance" für 41.000 Euro

Bei der ersten großen Fahrveranstaltung für Journalisten stand natürlich nicht das Grundmodell mit spartanischer Elektronik-Ausstattung zur Verfügung, sondern das Modell Pro Performance für rund 41.000 Euro. Der Konfigurator gibt außer Farben, Felgen und Kabeln noch keine großen Varianten her, so dass man die Wunschausstattung nur als Paket bekommt. In der Pro Performance-Version ist alles Empfehlenswerte vorhanden: Matrix-LED-Scheinwerfer, ein adaptiver-Tempomat mit prädiktivem Effizienz-Assistenten und ein überraschend großes Head-Up-Display zum Beispiel.

Die noch fehlenden Software-Komponenten, die frühe Kunden spätestens Anfang 2021 per Update in der Werkstatt nachrüsten werden können, listet der Pressesprecher vor der Testfahrt auf: Der App-Connect, der alle sinnvollen Funktionen per Handy-App fernbedienbar macht, gehört dazu, genauso die dynamische Ladestopp-Planung und die Navigations-Visualisierung in Augmented-Reality-Technik, die in Demonstrationsvideos ziemlich gut aussieht.

Testfahrt durch Niedersachsen

Während der Fahrt fehlt uns davon nichts: Es geht von Hannover Langenhagen über Celle ins Stammwerk Wolfsburg, der größte Teil der Strecke besteht aus gut ausgebauten Landstraßen, rund 40 Kilometern Autobahn und vierspuriger Bundesstraße mit 120 bis 130 km/h Höchstgeschwindigkeit und aus untergeordneten Landstraßen und Ortsdurchfahrten.

 Um das Urteil vorweg zu nehmen: Der ID.3 überzeugt vom Start bis zum Ziel als ausgesprochen leises, sehr dynamisches, ausreichend komfortables, sparsames und einfach zu bedienendes Auto. Aber der Reihe nach:

Start wie bei Tesla

Die Start-Prozedur hat VW sich bei Tesla abgeschaut: Wer mit dem Schlüssel in der Tasche in den ID.3 einsteigt, der muss einfach nur auf das Bremspedal treten, und die „Zündung“ geht an. Der Fahrstufen-Wahlschalter dagegen ist vom BMW i3 inspiriert. Im Gegensatz zu diesem gibt es aber zwei Vorwärts-Stufen „D“ und „B“ mit unterschiedlich ausgeprägter Rekuperation. Ähnlich war das schon im e-Golf und im e-Up gelöst. Beim Losfahren ist im Innenraum zwar das Geräusch des Soundgenerators zu vernehmen. Dass Leslie Mandoki am VW-Sound mitgewirkt hat, hätten wir nicht gemerkt. Das Geräusch ist aber schließlich für die Umstehenden gedacht, nicht für den Fahrer.

Spritziger Heckantrieb bringt Vorteile

Die Gas-Annahme im voreingestellten „Comfort“-Modus ist leicht verhalten – nach 150 kW (204 PS) fühlt sich das nicht an, so lange der Gasfuß die Kickdown-Schwelle nicht überschreitet. Beim Kickdown und im Sport-Modus lässt der VW dafür keine Zweifel daran aufkommen, dass die Kilowatt vollständig vorhanden sind. Trotz fast 1,8 Tonnen Leergewicht beschleunigt die Performance-Variante in 7,3 Sekunden auf Tempo 100. Wer das regelmäßig nutzt, der profitiert von einem großen Vorteil des ID.3: Dem Heckantrieb. Jahrzehnte nach dem Ende des Käfer und des Bulli Nummer T3 baut VW also wieder Hecktriebler, was gleich mehrere Vorteile hat: Bei voller Beschleunigung auf trockener Straße hat die Traktionskontrolle kaum etwas zu tun, die volle Leistung geht in den Vortrieb. In Fahrsituationen, in denen die Elektronik doch eingreifen muss, ist davon in der elektrischen Servolenkung nichts zu spüren – vor allem die koreanischen Elektroautos mit ebenfalls 150 kW Leistung zeigen, wie viel schlechter das mit einem Frontantrieb gehen kann. Das Fahrwerk des ID.3 ist so abgestimmt, dass sich das Auto bis zu einem gewissen Grad mit dem Gaspedal lenken lässt: Bei Leistungs-Überschuss dreht es sich willig in die Kurve ein, ohne gleich mit den Rädern zu scharren. Das fühlt sich in engen Kurven sehr agil und dynamisch an, ohne jemals kritisch zu werden: Die Traktionskontrolle hat alles im Griff.
Dass an den Vorderrädern keine Antriebswellen nötig sind, nutzt der ID.3 für große Lenkeinschläge und einen dementsprechend kleinen Wendekreis aus: 10,2 Meter sind spürbar weniger als die 10,9 Meter im Golf 8.

Dass der Motor und die Leistungs-Elektronik hinten unter dem Kofferraum sitzt, nutzt VW schließlich dafür aus, das Armaturenbrett deutlich weiter nach vorne zu rücken, als es bei Frontantrieben möglich wäre. Der Platz im Innenraum ist deshalb wirklich großzügig ausgefallen.

Die extravaganten Airstop-Felgen sind 20 Zoll groß

VolkswagenDie extravaganten Airstop-Felgen sind 20 Zoll groß

Platzangebot: Passat-Versprechen nicht ganz eingehalten

Das Versprechen des „Passat-Innenraums bei Golf-Außenmaßen“ hält der ID.3 indes nicht ganz ein: Auf den Rücksitzen fehlt dazu etwas Kopffreiheit, zudem ist der Stromer schmaler als ein Passat, was drei Passagiere auf der Rücksitzbank an den Hüften und Schultern zu spüren bekommen (die Pro-S-Variante mit 77-kWh-Akku ist wegen des größeren Raumbedarfs des Akkus gleich nur als Viersitzer zugelassen). Die Golf-Abmessungen als Maßstab gelten zudem nur, wenn man den Golf Sportsvan heranzieht. Der ID.3 ist mit 1,57 Metern Höhe ca. drei Zentimeter flacher als die Van-Variante des Golf 7, aber gleich acht Zentimeter höher als ein Golf 8.

Komfort durch Aerodynamik und Elektronik

Jenseits von Tempo 50 ist der Soundgenerator aus, die Windgeräusche wollen sich dafür nicht so recht einstellen. Das liegt an der ausgefeilten Aerodynamik, die leider störend kleine Rückspiegel mit sich bringt. Laut Pressetext hat auch der Unterboden seinen Anteil, der mit „tropfenförmigen Prägungen“ noch weniger Verwirbelungen und Geräusche verursachen soll, als eine ganz glatte Verkleidung. Bis 130 km/h sind die Reifen die am deutlichsten wahrnehmbare Geräuschquelle. In seiner Klasse schafft der ID.3 einen bisher unerreichten Geräuschkomfort.

Zum Komfort-Eindruck passt der prädiktiv agierende adaptive Tempomat ganz hervorragend: Auf Autobahn und Schnellstraße reagiert das System mit gutem Weitblick auf vorausfahrende Fahrzeuge und auf bekannte Tempolimits. Auf Baustellenschilder reagiert der Automat allerdings erst deutlich nach dem Vorbeifahren am Schild – genau wie die Systeme von BMW und Mercedes. Auf den kurvigen Landstraßen nördlich von Wolfsburg passt der Tempomat die Geschwindigkeit in Abhängigkeit von bevorstehenden Kurvenradien an. Mitunter wirkt das übervorsichtig, wenn für die leichte Biegung das Tempo von 100 auf 95 km/h reduziert wird, insgesamt trifft das System dabei aber ganz gut.
Wer den Tempomat übersteuern und schneller fahren will, der gibt einfach etwas Gas – und anders als in den aktuellen Daimler-Autos mit dieser Tempomat-Funktion geht der Übergang zurück zur Kontrolle durch den Tempomat ganz ruckfrei und weich vonstatten. Ganz nebenbei spart die Funktion durch frühzeitiges Gaswegnehmen vor bekannten Tempolimits ordentlich Energie. Wir haben den Tempomat auf der freien Strecke deswegen fast durchgängig machen lassen.

Apropos Komfort: Obwohl die Software das bekannte Sorgenkind bei VW ist, funktionieren die vorhandenen Features ganz gut. Die Sprachsteuerung erkennt zum Beispiel verschiedene natürlich-sprachliche Befehle („Mir ist kalt“, „Mir ist heiß“ zum Beispiel oder „Bring mich in die Sankt-Martin-Straße in München“). Die Nutzeroberfläche im zentralen Touchscreen reagiert flüssig und schnell. Die Klimatisierungs-Steuerung darüber funktioniert erheblich besser als zum Beispiel bei den aktuellen großen Audis, die dafür einen zweiten Touchscreen ganz unten in der Mittelkonsole bemühen und den Fahrer immer wieder dazu zwingen, den Blick weit von der Straße zu nehmen. Wenn man schon auf haptische Drehregler für die Klimatisierung verzichtet, dann bitte so wie im ID.3.

Ungewohnt robuste Material-Auswahl

VW-Fans werden beim Thema Komfort allerdings die ungewohnt harten Kunststoffe und die fehlende Leder-Option für die Innen-Ausstattung kritisieren. Im Testauto ist lediglich ein breiter hellgrauer Streifen in der bekannten weich geschäumten Oberflächenqualität ausgeführt, der Rest ist schwarzes Plastik mit einer Pseudo-Leder-Prägung. Ohne Frage ist ein Golf 8 das wohnlichere Auto – aber eben auch das lautere und engere.

Der Instrumententräger über der Lenksäule ist klein gehalten und bewegt sich bei der Einstellung des Lenkrads mit. Das Ganze erinnert an den i3, im Gegensatz zum BMW ergänzt hier aber ein richtig gutes Head-up-Display die Informationen, die man braucht. Vor allem Tesla könnte sich eine Scheibe für das Model 3 abschneiden. Schade nur, dass der größte Teil des HUDs für die noch nicht implementierten Augmented-Reality-Anzeigen reserviert ist – aber schon der schmale Streifen mit Geschwindigkeit, Verkehrsschild-Anzeige und Navigations-Hinweisen ist gut ablesbar und macht das HUD zu einer empfehlenswerten Ausstattungs-Komponente.

Reichweite auf Tesla-Niveau, flottes Laden

Die entscheidende Frage haben wir uns für den Schluss aufgehoben: Wie steht es um die Reichweite? Den vollständigen EFAHRER-Verbrauchs- und Reichweitentest müssen wir natürlich noch schuldig bleiben, aber einen guten Eindruck konnten wir gewinnen.  Nach 147 Kilometern auf der oben beschriebenen Strecke war der Akkustand von 100 Prozent auf 60 Prozent gefallen. Die volle Akkukapazität sollte demnach für rund 370 Kilometer reichen. Ganz ohne Autobahnanteil dürften sogar an die 400 Kilometer drin sein. Der ID.3 würde damit mindestens auf Augenhöhe mit dem Tesla Model 3 spielen.

 Auf der Rückfahrt nach Hannover hatten wir Gelegenheit, bei moderaten Autobahngeschwindigkeiten von 120 bis 130 km/h zwischen zwei Ladestopps den Verbrauch zu ermitteln: ca. 19 kWh pro 100 Kilometer waren das überschlagsmäßige Ergebnis. Der ID.3 könnte mit seinem 58-kWh-Akku demnach rund 300 Kilometer weit fahren und den Tesla Model 3 Standard Range plus (ca. 270 km im EFAHRER-Test) schlagen. Wenn sich das im ausführlichen Test bestätigt, dann bescheinigt allein diese Zahl VW hervorragende Arbeit: Der ID.3 ist schließlich deutlich höher als das Model 3, letzteres hat einen besonders niedrigen cw-Wert (0,23) und hält gemeinsam mit dem Hyundai Ioniq den Autobahn-Verbrauchsrekord in der EFAHRER-Testdatenbank.

Hochgerechnet auf die großen Akku-Ausführungen der Varianten „Pro S“ oder „Tour“ (beide 77 kWh) ergäben sich 490 und 400 Kilometer Reichweite. Die Reichweiten-Varianten haben nicht nur beim Fahren einen Vorteil, sondern auch beim Laden: Maximal 125 kW ziehen sie aus geeigneten Gleichstrom-Schnellladern, die 58-kWh-Modelle schaffen bis zu 100 kW. Unser Testauto startete bei 27 Grad Außentemperatur und 10 Prozent Akkustand mit 97 kW Ladeleistung, die bis ca. 35 Prozent gehalten wurden. Bis 60 Prozent Ladestand fiel die Ladeleistung dann auf 60 kW ab. Es dauerte 29 Minuten, den Akku von 10 Prozent auf 80 Prozent (also 240 Kilometer Autobahnreichweite) aufzuladen. Im Konkurrenzumfeld von Nissan Leaf und den koreanischen Stromern ist das einsame Spitze. Nur das Model 3 lädt mit anfangs 170 bis über 200 kW nochmals schneller.

Der ID.3 Pro lädt mit 97 kW - und ist in 29 Minuten auf 80 Prozent

EFAHRER / ReitbergerDer ID.3 Pro lädt mit 97 kW - und ist in 29 Minuten auf 80 Prozent

Fazit: Der ID.3 ist noch gar nicht fertig. Aber schon jetzt zeigt er, dass sich der jahrelange Entwicklungs-Aufwand niederschlägt: Der VW ist fahraktiv, sparsam und bis hin zum Kofferraum mit 385 Litern Volumen praktisch. Dass er mit Förderung deutlich weniger kostet als ein gut ausgestatteter Golf Diesel, macht es schwer, Argumente gegen den ID.3 zu finden. Wem das Auto zu langweilig ist, oder wer sich am fehlenden Innenraum-Luxus stört und es sich leisten kann, der wartet einfach auf den Audi Q4, der auf der gleichen technischen Basis aufsetzt, aber bei der Ausstattung (und beim Preis) in einer anderen Liga spielen wird.




July 27, 2020 at 07:31AM
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